Reiseberichte

Tessin Teil 2

Tessin Teil 2

Bildergalerie:

Stolze Burgen, wilde Täler

Text: Stefan Peine, Ralph Binder Fotos Ralph Binder

Das Tessin hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Im Mittelalter gehörte das Tessin zum Herzogtum Mailand. Nach der Gründung der Eidgenossenschaft der Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden wurde das Tessin bald zum Gegenstand eines Machtkampfes zwischen Mailand und den Eidgenossen. Im Jahr 1500 setzen sich die Schweizer durch und besetzen das Tessin. Erst Napoleon erobert das Gebiet wieder. Vor die Wahl gestellt zwischen Italien und der neuen helvetischen Republik entscheidet das Tessin für Helvetien. 1803 wird das Tessin von Napoleon den 19 Kantonen der helvetischen Republik zugeschlagen und erhält seinen heutigen Namen nach dem Fluss Ticino. In der Region finden sich zahlreiche Zeugen dieser wechselvollen Geschichte. Vor allem in der Kantonshauptstadt wird sie wieder lebendig.

Bellinzona ist seit 1878 Kantonshauptstadt des Tessin. Deren Wahrzeichen sind die drei Burgen der Stadt. Prächtig, erhaben und mächtig. Sie waren im ausgehenden Mittelalter der Abwehrriegel des Herzogtums Mailand gegen die noch junge Eidgenossenschaft im Norden. Von hier aus wurden die Pässe St Gotthard, Lukmanier und San Bernardino kontrolliert. Die Wehranlagen von Bellinzona - heute Unesco Weltkulturerbe - gehören zu den bedeutendsten mittelalterlichen Burgen im Alpenraum. Die Hauptstadt zählt heute über 18000 Einwohner. Lebendig, laut und lustig geht es am Samstagmorgen im historischen Stadtzentrum zu. Da ist Markt. Ein Muss für jeden Besucher. Einheimische und Touristen kommunizieren miteinander beim Kosten, Feilschen und Einkaufen der Tessiner Produkte. Hier öffnet sich das gesamte Spektrum der Tessiner Gastronomie, die aus dem Reichtum der lombardischen und piemontesischen Küche schöpft, ohne ihren ureigenen Charakter aufzugeben. Hausgemachte Fleisch- und Wurstwaren, Polenta, Pilze, Kaninchen oder Cazzöla, ein Gericht mit Kohl und Schweinefleisch kann man hier kaufen und kosten. Hinzu kommen noch die verschiedenen Käsesorten, der Brotkuchen und die Pfirsiche in Wein. Der Käse gehört vielleicht zu den schönsten Facetten der Gastronomie dieses Kantons. Auf der Basis reinster Kuhmilch oder manchmal Ziegenmilch, gibt es ihn mit mehr oder weniger Fett, aber immer schmackhaft.

Wilde Täler

Wilde Täler bietet ein völliges Kontrastprogramm zu den noblen Städten des Tessin. Hier geht es ländlich und urig zu. Das breite Maggia-Tal verzweigt sich im oberen Teil in viele kleine zum Teil unbewohnte Seitentäler. Das Tal ist ideal für Mountainbike- und Wandertouren. 700 Kilometer Wanderrouten warten auf Naturbegeisterte. Typisch sind hier die aus rohen Granitsteinen aufgetürmten Bauernhäuser. Noch enger und wilder präsentiert sich das benachbarte Verzasca-Tal. Der Eingang des Verzasca Tals wird durch eine 220 Meter hohe Staumauer dominiert. Berühmtheit erlangte sie als Location im James Bond Film „Golden-Eye“. Eine spektakuläre Szene, bei der der Spion am Bungee-Seil entlang der Mauer runterspringt. Heute tun es ihm viele Adrenalin-hungrige nach. Im Mittelteil des Tals des grünen Wassers liegt das Örtchen Lavertezzo. Hier steht die doppelbögige Brücke, „Ponte dei Salti“ aus dem 17.Jahrhundert. Anziehungspunkt für Wanderer, Touristen und manchmal auch für Schaulustige, wenn junge Burschen 15 Meter in die Tiefe springen. Denn nur eine niedrige Steinbrüstung begrenzt die Brücke, von der man einen grandiosen Blick in das wilde Bett der Verzasca mit ihren bizarren Felsskulpturen hat. Das Wasser schimmert hier in einem besonders intensiven Smaragdgrün. Die rundgeschliffenen Felsformationen, die aus dem Wasser ragen, verführen zum Rasten und Sonnenbaden. Am Ende des Verzasca-Tals liegt der verschlafene Ort Sonogno. Gut erhaltene Steinhäuser und einige rustikale Gaststätten mit Blick auf das grandiose Bergpanorama laden zum Verweilen und Genießen ein. Hier befindet sich auch ein Museum in dem die Geschichte des Tals dargestellt wird. Ein Tal weiter, im Tal des Ticino, auf dem Weg zum Gotthardt liegt das malerische Dörfchen Giornico. Zwei Brücken über den Ticino und sieben Kirchen und Kapellen zieren den Ort. Die Brücken waren im Mittelalter der erste Übergang über den Ticino nach der Gotthardt-Überquerung und so erlangte der kleine Ort eine gewisse verkehrstechnische Bedeutung, die auch eine wirtschaftliche Blüte mit sich brachte. Im Jahre 1478 fand bei Giornico eine wichtige Schlacht zwischen den Eidgenossen und dem Mailänder Heer statt in deren Folge das tessin der Eidgenössischen Herrschaft unterworfen wurde. Heute liegt Giornico abseits der wichtigen Verkehrswege in einer Art Dornröschenschlaf. Seine pittoreske Schönheit ist unbedingt einen Umweg wert.

Möchte man die Stereotypen bedienen, so ließe sich das Tessin als perfekte Mischung aus Schweizer Zuverlässigkeit und italienischem Dolce Vita beschreiben. Es ist der italienischste Teil der italienischen Schweiz. Das mediterrane Klima, die italienisch geprägt Küche, die beeindruckende Landschaft, zahlreiche verschiedene Freizeitmöglichkeiten und eine sehr gute Camping-Infrastruktur machen das Tessin zu einem lohnenswerten Reiseziel für Wohnwagen und Wohnmobil-Touristen.