Märchen und Schlösser
Text: Stefan Peine, Ralph Binder; Fotos: Ralph Binder, Martin Häussermann
Die grüne Insel Fünen liegt mitten in Dänemark zwischen dem kleinen und dem großen Belt. Es ist die zweitgrößte Insel des Königreichs. Etwa 150.000 Einwohner, ein Drittel aller Inselbewohner, leben in Odense. Odense ist eine der ältesten Städte Dänemarks mit einer 1000jährigen Geschichte. Dank vieler Museen und Sehenswürdigkeiten ist Odense auch das kulturelle Zentrum der Insel. Das bekannteste Museum ist das H.C.-Andersen-Haus. Hans Christian Andersen kam am 2. April 1805 als Sohn des armen Schuhmachers Hans Andersen und seiner Frau Anne Marie Andersdatter in Odense zur Welt. Wo genau, ist bis heute unbekannt – Andersens Eltern, knapp zwei Monate verheiratet, hatten keinen festen Wohnsitz. Erst, als Andersen 1867 bereits Ehrenbürger von Odense war, wurde das kleine, gelb gestrichene Fachwerkhaus als Geburtshaus festgelegt. Seit 1908 Museum, gibt das Hans-Christian-Andersen-Haus mit Briefen und Bildern, Scherenschnitten und Zeichnungen, wertvollen Werksausgaben und Zitaten von Zeitzeugen Einblicke in das Leben des dänischen Dichters. Sein Werk umfasst 211 Märchen, Novellen, drei Autobiographien, sechs Erzählungen, fünf Reiseberichte und Theaterstücke, die in 145 Sprachen übersetzt wurden. Darunter so bekannte wie „Die kleine Meerjungfrau“, „Der tapfere Zinnsoldat“, „Des Kaisers neue Kleider“, „Däumelinchen“, „Die Schneekönigin“, „Das hässliche Entlein“ oder „Die Prinzessin auf der Erbse“. Im Alter von 27 Jahren schrieb Andersen: „Wer weiß, ob ich nicht einmal eine Berühmtheit dieser edlen Stadt werde, und das es in einer Fußnote zur Geschichte der Stadt heißen wird: Hier wurde der dänische Dichter H.C. Andersen geboren.“ Es wurde mehr als eine Fußnote. Sein markantes Profil mit großer Nase und hohem Zylinder ist ein Markenzeichen. Überall in der Stadt ist der Märchendichter präsent. Da posiert der eitle Kaiser in der Fußgängerzone nackt mit seinen neuen Kleidern, dort steht der standhafte Zinnsoldat stumm auf einem Bein. Däumelinchen schaut aus einer Blume heraus, Weingeschäfte präsentieren den H. C. Andersen-Bordeaux, und die Restaurantkette „Hässliches Entlein“ führt den stolzen Schwan im Logo.
Von Bauern und Adeligen
Uns zieht es weiter in die Märchenidylle eines fünischen Dorfes um 1850. Es liegt am südlichen Stadtrand Odenses: Den Fynske Landsby (das fünische Dorf) ist ein sehenswertes Freilichtmuseum aus 25 Bauernhöfen und Gebäuden, die sich ursprünglich auf Fünen befunden haben und hier originalgetreu wieder aufgebaut wurden - eine Reise aufs Land zu Hans Christian Andersens Lebzeiten. Angestellte sind mit Material und der Kleidung von vor 150 Jahren ausgestattet. Alle gehen typischen Arbeiten aus der damaligen Zeit nach. Es wird gesponnen, gestrickt, gemolken, geflochten, gefilzt, gemäht, eingekocht und so weiter. So wird das Leben auf einem fünischen Bauernhof um ca. 1850 lebendig. Ein spannender Ausflug für die ganze Familie. Die vielen Tiere sind für die Kinder ein großer Spaß.
Auf Fünen konzentrieren sich auch die meisten Herrenhäuser des Landes. Ein besonderes unter Ihnen ist das Schloß Egeskov. 450 Jahre alt und dennoch Europas besterhaltene Wasserburg. Eine Besichtigung des Schlosses zeigt die Lebensweise der adeligen Bewohner im 19. Jahrhundert. Sehenswert ist die Gartenanlage, die nach Angaben der Eigentümer die größte historische Gartenanlage Dänemarks ist. In der Schloßanlage gibt es ein Oldtimermuseum. Ein Leckerbissen für Männer und Autofans. Das 1967 eingerichtete Museum besteht aus circa 50 gut erhaltenen und restaurierten Kraftwagen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Neuzeit. Darunter ganz besondere Exoten: Ein Milburn Elektrowagen aus dem Jahr 1914. Heute wäre dieses Auto ein Highlight auf jeder modernen Messe. Wegen der schweren Batterie kommt das Fahrzeug auf 1,3 Tonnen Leergewicht. Da er keine Gänge hat, galt der Milburn als frauenfahrtaugliches Fahrzeug. Es kostete damals 2500 US Dollar, viermal so viel wie ein Ford t-Modell. Der älteste fahrtüchtige Wagen des Museums ist ein Dampfautomobil aus dem Jahr 1899. Eine ganz simple Konstruktion. Gänge sind wegen der Geschmeidigkeit der Dampfmaschine nicht nötig. Das Gefährt ist ein Zwei-Takter mit nur 10 PS. Die reichen jedoch für stolze 40 km/h Höchstgeschwindigkeit. Ein weiteres Thema des Museums - Camping der vergangenen Tage. Schon in den 50er Jahren ist Campen in Dänemark in Mode gekommen. Die Fahrzeuge damals waren Unikate und Eigenkonstruktionen. Im Museum steht ein umgebauter Bedford aus dem Jahr 1953. Ein dänisches Künstlerehepaar ließ den Wagen für sich und seine Kinder bauen, um auf Europareise zu gehen.