Reiseberichte

Benelux-Länder

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Drei-Länder-Tour

Text und Fotos: Ralph Binder

Es ist kein weiter Weg, schon gar nicht aus Deutschlands Westen. In wenigen Stunden sind die Niederlande, Belgien und Luxemburg zu erreichen. Ein Grund mehr, der Region einmal einen Besuch abzustatten. In nur wenigen Tagen können Reisemobilisten bei einer Rundfahrt Eindrücke aus gleich drei Ländern sammeln.

Los geht es in Maastricht. Die Hauptstadt der niederländischen Provinz Limburg ist den meisten durch die im Jahr 1992 dort unterzeichneten Verträge zur europäischen Gemeinschaftswährung Euro ein Begriff. Aber schon lange zuvor hatte Maastricht eine bewegte Geschichte. Durch ihre bevorzugte Lage an der Maas war sie seit ihrer Errichtung durch die Römer bei den Herzögen von Brabant, den Spaniern und Franzosen gleichermaßen beliebte Beute. Im Jahr 1673 während des Französisch-Niederländischen Krieges (1672–1679) verlor ein Musketier Ludwigs XIV. im Zuge der Belagerung der Stadt sein Leben. Zwar war er nur einer von vielen, aber sein Name Charles d’Artagnan de Batz-Castelmore oder kurz D’Artagnan sollte dank des französischen Schriftstellers Alexandre Dumas 170 Jahre später unsterblich werden. Das Leben des D’Artagnan inspirierte Dumas zu seinem 1844 erschienenen Roman „Die drei Musketiere“, in dem er mit der historischen Vorlage äußerst kreativ umging.

Besucher aus aller Welt schätzen heute die Gastfreundschaft der Stadt an der Maas. In vielen verschiedenen geführten Touren informieren die Einwohner ihre Gäste gerne über die wechselvolle Geschichte ihres Heimatortes. Die Universitätsstadt besitzt eine einzigartige Atmosphäre aus Tradition und Moderne und offeriert ein reichhaltiges Kultur- und Kunstangebot. Zur leichten Unterhaltung zählt unter anderem das jährliche Freiluft-Konzert von André Rieu. Der Sohn der Stadt spielt immer im Sommer mit seinem Johann Strauss-Orchester auf dem Vrijthof auf. Auf dem großen zentralen Platz der Stadt erklingt dann mancher Gassenhauer der klassischen Musik und Walzer aus diversen Opern, Operetten und Musicals. Im Zentrum Maastrichts zwischen Vrijthof und Markt ist für jeden Shoppingfan etwas dabei. Neben zahlreichen Boutiquen und Filialen großer Marken ist das Einkaufszentrum Entre Deux schon aufgrund der Architektur interessant. Ein richtiges Highlight in der Innenstadt ist die außergewöhnliche Buchhandlung in der alten Dominikanerkirche. Das umfangreiche Shopping-Angebot wechselt sich ab mit gemütlichen Bars, Brasserien und Restaurants. Hier können Kaufwütige den Stadtbummel gemütlich ausklingen lassen. Übernachten ist für Reisemoblisten in Maastricht seit Sommer 2015 kein Problem mehr. Der neue Reisemobilstellplatz am Bosscherweg 35 liegt wunderschön am Ufer der Maas mit Blick auf Schloss Borgharen in der Ferne. Der Stellplatz ist nur 3,2 km vom Markt in Maastricht entfernt, so dass die Innenstadt sehr gut mit dem Fahrrad oder bei einem längeren Spaziergang sogar zu Fuß erreichbar ist. Lange Jahre galten die Niederlande als weißer Fleck auf der Landkarte der europäischen Reisemobilstellplätze. Inzwischen sind in Maastricht, Roermond und Landgraff immerhin drei Plätze in Hollands Süden entstanden. Es bleibt zu hoffen, dass sich dies auch auf das übrige Land ausweitet.

Wasser und Benzin

Die nächste Etappe der Drei-Länder-Tour führt in Belgiens Osten. In der Wallonie liegt der bekannte Kurort Spa. Den Quellen der Stadt wird schon seit der Römerzeit heilende Wirkung zugesprochen. Das Mineralwasser der Stadt tritt gleich an mehreren Stellen zutage. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich Spa zu einem Kurort der gekrönten Häupter Europas. Zar Peter der Große machte 1717 den Anfang und zahlreiche Kaiser Könige und Adelige taten es im nach. 1762 wurde zum Amüsement der Kurgäste das erste öffentlich zugängliche Spielkasino der Welt erbaut. Dass fast jeder Wellnessbereich in Herbergen, Campingplätzen und Hotels heute oft Spa genannt wird, ist ein Erbe dieser großen Zeit der kleinen belgischen Stadt.

Wer heute durch die Gassen von Spa flaniert, spürt von dem einst mondänen Geist nur wenig. Der Spaziergänger erlebt Spa als einen eher verträumten Touristenort, in dem die Quellen, die zahlreichen Wanderwege und Golfplätze dominieren. Nur bei großen Motorsportereignissen erwacht die Stadt aus ihrem Schlaf. Vor allem, wenn der Rennzirkus der Formel 1 auf der nahegelegenen Rennstrecke in Spa-Francorchamps gastiert und all die Schönen, Reichen und ganz schön Reichen im Schlepptau hat, die sich gerne im Glanz der modernen Motorsporthelden sonnen. Auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps wird schon seit 1925 der Große Preis von Belgien ausgetragen, seit 1950 mit Unterbrechungen auch in der Formel 1 Klasse. Die ursprünglich 14,863 km lange Strecke wurde 1921 eröffnet und bestand weitgehend aus sonst öffentlichen Landstraßen im Dreieck zwischen den Ortschaften Francorchamps im Norden, Malmedy im Südosten und Stavelot im Südwesten. Zum ersten geplanten Autorennen erschien jedoch nur ein Teilnehmer, so dass es abgesagt wurde und der Kurs stattdessen mit einem Motorradrennen eröffnet werden musste. Die Strecke wurde nach 1970 aus dem Grand-Prix-Kalender verbannt, weil sie aufgrund der hohen Geschwindigkeiten, die Rennwagen mittlerweile erzielten, als zu gefährlich eingestuft wurde. Erst 1983 wurde Spa nach langwierigen Umbaumaßnahmen wieder in den Rennkalender aufgenommen. Die Kombination aus der Senke Eau Rouge, die nach dem unter der Strecke durchfließenden Bach benannt ist, und der „Mutkurve“ Raidillon gehört heute zu den berühmtesten Streckenabschnitten der Formel 1.

Aber es muss nicht immer die exklusive Formel 1 sein. Es geht auch eine Nummer volksnäher: Bei den Spa Summer Classics, die jedes Jahr Ende Juni stattfinden, ist die Rennstrecke für Zuschauer kostenlos geöffnet. Hier treffen sich Rennsport-Enthusiasten aus aller Herren Länder, die mit ihren privaten Boliden um die Wette fahren. Die dreitägige Veranstaltung zaubert Oldtimer-Fans ein Glitzern in die Augen. Rennwagen aus den Baujahren 1947 bis 2000 rasen um den traditionsreichen Circuit. Das Fahrerlager ist für jedermann zugänglich und die Hobbyfahrer lassen sich gerne bewundern und in die Autos schauen. Hier brubbelt ein Achtzylinder eines amerikanischen Rennwagens, drüben jault ein Vierzylinder eines alten italienischen Modells, die Boxermotoren der vielen alten Porsches sind unüberhörbar und sogar das Zweitaktknattern zweier Renntrabbis ist zu hören. Viele der Hobbyrennfahrer sind mit dem eigenen Reisemobil da und ziehen ihren historischen Renner auf einem Anhänger bis ins Fahrerlager. Das Dröhnen der Motoren und ein Duftgemisch aus Benzin, Öl und Abgasen erfüllt drei Tage lang die Luft. Wer Oldtimer und Rennwagen mag, hat hier eine einmalige Gelegenheit zu schwelgen. Reisemobilisten können während der Renntage auf einem eigens abgesperrten Bereich auf dem Parkplatz P1 auch über Nacht stehen. So sind Motorsportenthusiasten gleich am Puls des Geschehens. Wer es nachts lieber etwas ruhiger mag, fährt auf den nahegelegen Campingplatz L’Eau Rouge in Stavelot. Ganz sicher trifft er dort während der Spa Summer Classics Gleichgesinnte aus ganz Europa.

Burgen und Natur

Nach dem Motorengeheul der Spa Summer Classics ist eine Fahrt mit dem Reisemobil Richtung Luxemburg die reinste Erholung für die Ohren. Über schöne Landstraßen in den Ardennen erreichen Reisemobilisten den Ort Clervaux. Hier lohnt sich ein Zwischenstopp, denn das Städtchen in einer Flussschleife hat viel zu bieten. Auf dem Berg thront die Schlossburg aus dem 12 Jahrhundert. Sie war lange im Besitz der Grafen von Clerf, ein Titel, der über die Jahrhunderte verschiedenen Adelshäusern zufiel. Zuletzt verkaufte der Graf von Barleymont die Burg im Jahre 1925 an einen nicht-adeligen Privatmann. Im Jahr 1944 bei der Ardennenoffensive der Deutschen Wehrmacht wurde die Burganlage vollständig zerstört. Der Luxemburgische Staat baute die ausgebrannte Ruine nach dem Krieg wieder auf. Heute beherbergt sie drei Museen: Die von der Unesco ausgezeichnete Fotoausstellung „Family of Man“, das Museum der Modelle von 22 luxemburgischen Schlössern und Burgen und das Kriegsmuseum mit Dokumentationen zur Ardennenschlacht. Dazu gehört auch der alte amerikanische Panzer, der die Besucher im Hof des Schlosses empfängt. Oberhalb des Schlosses ragt die Pfarrkirche empor. Ihr antikes Aussehen täuscht allerdings. Sie wurde erst 1912 im romanischen Stil erbaut.

Landschaftlich schöne Straßen führen den Reisemobilisten weiter über Wiltz nach Esch an der Sauer. Auch diese Ortschaft ist auf einer Landzunge in einer Flusskehre erbaut. Auch hier thront oben die Ruine einer ehemals stolzen Burg. Wer nicht stehen bleiben will, kann die Ortschaft einmal mit dem Reisemobil umrunden und durch einen Tunnel wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren. Wer die Stadt lieber erlaufen möchte, muss entweder Glück haben und einen Parkplatz am Fluss ergattern oder vor der Ortseinfahrt den großen Parkplatz ansteuern. Esch-Sauer wird in den Jahren 773/774 erstmals im Zusammenhang mit einer Schenkung an das Kloster Echternach urkundlich erwähnt. Seit dem frühesten Mittelalter war Esch-Sauer ein ummauerter zentraler Ort mit Stadtrecht und einer dazugehörenden Grafschaft. Das Dorf Esch-Sauer liegt unterhalb der Ruinen der ältesten Burg des Großherzogtums Luxemburg. Die frei zugänglichen Ruinen dieser Feudalburg bieten einen phantastischen Blick auf das Dorf und seine engen Gassen, die sich seit dem Mittelalter kaum verändert haben. Heute liegt Esch-Sauer am Eingang des 1999 eröffneten Naturparks Obersauer, einem beliebten Wandergebiet rund um den gleichnamigen Stausee.

Wer dem wunderschönen Flusslauf der Sauer nach Osten folgt, gelangt irgendwann in das Örtchen Burscheid. 150 Meter darüber auf einem Felsensporn erhebt sich stolz die Burg Bourscheid. Um das Jahr 1000 herum gebaut, diente sie den Dorfbewohner jahrhundertelang als Fluchtburg bei Gefahr. Seit 1972 wird das Gemäuer vom Luxemburgischen Staat wieder aufgebaut. Eine Führung über das Burggelände gibt Aufschluss über die Entstehung der Burg vom einfachen Trutzturm um das Jahr 1000 bis zur Burganalage mit drei Ringmauern und vorgelagertem Bollwerk im Jahre 1430, wunderschöne Ausblicke auf das Tal der Sauer inklusive. Die Einnahmen werden von den Freunden der Burg Bourscheid zur weiteren Wiederherstellung der Anlage genutzt.

Übernachtungsmöglichkeiten bieten die knapp 70 Campingplätze in Luxemburg in allen Kategorien. Besonders luxuriös ist der Europacamping Nommerlayen. Der fünf Sterne Platz inmitten der Natur weiß die Gäste außer mit großzügigen Stellplätzen auch mit Hallenbad, Restaurant und vielen Freizeitangeboten zu verwöhnen. Die Anlage gehört zu den Leading Campings of Europe, einer Organisation inhabergeführter Campingplätze in Europa, die sich besonders der Qualität und dem Service im Freilufttourismus verpflichtet haben. Von hier ist es nur ein Katzensprung in das Mullerthal, einer weiteren Naturattraktion Luxemburgs. Wandern ist auch hier das große Thema. Und dafür muss der Gast gar nicht ausgerüstet sein. In der Heringer Millen in Mullerthal kann jeder kostenfrei festes Schuhwerk, Wanderstöcke oder Kindertrage-Rucksäcke ausleihen. Von hier geht es dann zu Fuß vorbei an bizarren Felsformationen zum Schiessentümpel, dem Wahrzeichen des Mullerthal Trail. Unter diesem Namen sind verschiedene Touren mit einer Gesamtlänge von 112 Kilometern erfasst und ausgeschildert. Einige davon führen auch zur Grenzstadt Echternach. Die älteste Stadt des Landes ist historisches und kulturelles Zentrum der Region Mullerthal und hat ihr mittelalterliches Ambiente bewahrt: verwinkelte Gassen, Überreste und Türme der alten Stadtmauer sowie ein Marktplatz mit gotischem Stadthaus versetzen den Besucher zurück in vergangene Zeiten.

Von hier aus hat der Reisemobilist die Wahl: Zurück nach Deutschland fahren oder noch ein Stückchen weiter nach Süden dem Lauf der Luxemburger Weinstraße folgen. Die zweite Variante führt zu einem Ort, der ebenso wie der Startpunkt dieser Tour eng mit der Geschichte der Europäischen Union verknüpft ist: Schengen. Der Name wurde zum Synonym für einen Raum ohne Grenzkontrollen, als am 14. Juni 1985 fünf EU-Mitgliedstaaten auf dem Moselschiff MS Marie-Astrid in der Nähe dieses Ortes das Schengener Abkommen unterzeichneten. Nicht zuletzt ermöglichte das auch allen Caravaning-Reisenden eine freie, komfortable und grenzenlose Entdeckung unseres Kontinents. Heute erinnern ein Dokumentationszentrum und zahlreiche Denkmäler an diesen bedeutenden Schritt.